Menschen spielen Karten
Die „Stube“ der Lebenshilfe Münster im Teilquartier Gartenwohnen ist eine Art öffentliches Wohnzimmer und Ort der Begegnung für Menschen mit und ohne Behinderung.
29.05.2024
Zusammenleben

Herein in die gute Stube!

Einladend, vielfältig, gemeinschaftlich: In der „Stube“ im Teilquartier Gartenwohnen werden die Werte des York-Quartiers gelebt. Hier im Erdgeschoss finden alle Nachbar:innen  – egal, ob mit oder ohne Behinderung – einen Platz. In den beiden Stockwerken über dem öffentlichen Lebenshilfe-Wohnzimmer geht für zwölf junge Erwachsene der Traum von der ersten eigenen Wohnung in Erfüllung. 

Entstanden ist die Idee des Wohnprojekts für junge Menschen mit geistiger Beeinträchtigung schon vor zehn Jahren bei einem Familientag der Lebenshilfe Münster. Dort hatte sich eine Arbeitsgruppe gebildet, die sich mit der Frage beschäftigte: Wie und wo könnten unsere Kinder später einmal wohnen, wenn sie erwachsen sind und ausziehen wollen? Eltern wie Kinder kennen sich schon seit Kindergartenzeiten, die Kinder sind zum Teil miteinander befreundet, waren auf derselben Förderschule, sind gemeinsam in die gleiche Werkstatt gewechselt. Die Eltern wünschten sich, dass sie auch den nächsten Schritt, die erste eigene Wohnung, gemeinsam machen können. „In klassischen Wohngruppen werden in der Regel nur einzelne Plätze frei, da hätte man keine Chance, zusammen zu wohnen“, berichtet Olaf Voigt-Kaßelmann, Projektleiter der Stube. „Der Wunsch der Eltern war daher, ein eigenes Wohnprojekt auf die Beine zu stellen.“ Über viele Jahre hinweg hat die Lebenshilfe mit den Familien nach geeigneten Grundstücken gesucht. Voigt-Kaßelmann erinnert sich: „Neue Grundstücke dieser Größe gibt es meist in Industrie- und Randgebieten ohne bestehende Infrastruktur oder Busverbindung. Deswegen passte es nie richtig. Irgendwann wurden dann die Konversionsflächen York und Oxford frei und wir haben uns beworben.“ Dort passt endlich alles zusammen. 

Menschen am Tisch
Miteinander statt nebeneinanderher ist das Ziel von Inklusion und wird in der Stube gelebt.
Drei Personen vor einem Gebäude
Olaf Voigt-Kaßelmann (Projektleiter), Yanna Josczok (Projektkoordinatorin) und Katharina Könning (Unternehmenskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit) von der Lebenshilfe Münster begleiten das Projekt „Stube“.

Mitten im Teilquartier Gartenwohnen hat die Wohn + Stadtbau den sogenannten Kubus gebaut, in dessen Erdgeschoss die „Stube“ der Lebenshilfe, das Büro des Quartiersmanagers und der Gemeinschaftsraum Treff C der Wohn- und Stadtbau liegen. In den Obergeschossen des Kubus‘ haben die zwölf jungen Erwachsenen mit besonderem Unterstützungsbedarf ihr neues Zuhause gefunden. Sie sind selbst Mieter:innen mit allen Rechten und Pflichten, wie die anderen Bewohner:innen auch. Jedes der 30-Quadratmeter-Apartments hat eine eigene kleine Küche und ein Badezimmer. „Zusätzlich gibt es eine Gemeinschaftswohnung, die als Treffpunkt für gemeinsame Aktivitäten dient: wenn man nicht allein Abendessen möchte oder kann, wenn man zusammen Playstation spielen oder einfach mit den anderen abhängen möchte“, erklärt Voigt-Kaßelmann. 

Miteinander statt Nebeneinander 

Voigt-Kaßelmann freut sich besonders über die Chance, dass Menschen mit und ohne Behinderung im York-Quartier miteinander, statt nebeneinanderher leben. Im Erdgeschoss liegen der Treff C der Wohn + Stadtbau und die Stube der Lebenshilfe direkt nebeneinander. Auch die Koordinatorin der Stube, Yanna Josczok, bewertet dieses Miteinander als Gewinn: „Oft ist es so, dass es für Menschen mit Behinderung extra Wohnhäuser gibt. Hier ist das Wohnprojekt integriert, die Mieter:innen sind ganz normale Nachbarn und Teil des Quartiers.“
 

Spielende Kinder mit Erwachsenen
Von Barrierefreiheit profitieren alle: Auch mit Kinderwagen und Rollator lässt sich die Stube im Erdgeschoss problemlos erreichen.
Familie mit zwei Kindern
Mit dem Stofftier-Orang-Utan hat die Stube ein beliebtes Maskottchen gefunden.

Die Stube soll ein Raum der Begegnung werden – für alle Bürger:innen. „Die Gefahr bei einem Neubauquartier besteht, dass die Leute sich höchstens auf der Straße grüßen, sich aber gar nicht wirklich füreinander interessieren und erst recht nicht kennen. Wenn man gemeinsam etwas macht, Zeit miteinander verbringt und zusammen Dinge tut, lernt man sich anders kennen. So soll der Ort des Nebeneinander-Wohnens zu einem des selbstverständlichen Miteinander-Lebens werden. Die Stube soll zum Raum werden für gegenseitige Wahrnehmung, Kommunikation, lebendige Nachbarschaft, Zugehörigkeit und bürgerschaftliches Engagement“, erklärt Voigt-Kaßelmann. Josczok ergänzt: „Das Thema Inklusion soll nebenbei passieren: Wir bieten ein Angebot für alle an und gestalten es so niedrigschwellig, dass theoretisch alle mitmachen können.“

Und wie sieht das Angebot in der Stube genau aus? „Es gibt noch gar kein Programm – wir haben nur eine lange Liste von Möglichkeiten“, entgegnet Josczok und lacht. „Letztendlich wird es das geben, was die Nachbarschaft interessiert, was sie sich wünscht und worauf sie Lust hat.“ Yanna Josczoks Job ist die Koordination der Impulse aus der Nachbarschaft: vom Strickkurs über Public Viewing bis zum Spieleabend. „Wer eine Idee hat, kann einfach auf eine Tasse Kaffee vorbeikommen oder an die E-Mail-Adresse schreiben“, sagt Josczok.

Zwei Bewohner in der Stube
Moritz und Elisabeth wohnen im Kubus in ihrer ersten eigenen Wohnung und engagieren sich ehrenamtlich in der Stube.
Katharina Könning
Katharina Könning setzt das Prinzip des „Mitmischens“ beim Magazin der Lebenshilfe um: In der Redaktion des Rundbriefs arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung zusammen.

Inklusion ganz nebenbei

Katharina Könning ist für die Unternehmenskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit der Lebenshilfe Münster zuständig. Sie beschreibt dieses Prinzip als Mitmischen: „Mitmischen funktioniert bei der Lebenshilfe auf viele unterschiedliche Arten: zum Beispiel auf der politischen Ebene durch Selbstvertretung, durch ehrenamtliches Engagement oder durch Beteiligung in der Redaktion unseres Rundbriefs.“ Auch für die Stube erhofft sie sich, dass ganz viel mitgemischt wird, sei es ehrenamtlich oder durch die Veranstaltung von einem Mensch-ärgere-dich-nicht-Turnier: „Das Mitmischen hat mit der Stube jetzt einen neuen Ort gefunden.“ Bewusst soll die Stube nicht den Stempel eines inklusiven Zentrums haben. Aus Könnings Sicht ist der Idealzustand erreicht, wenn Begriffe wie Inklusion gar nicht mehr genannt werden müssen. Dabei kann die Stube Vieles sein: Morgens ist sie inklusives Kinderwagen-Café, nachmittags Kreativwerkstatt und abends ein Ort für Veranstaltungen und Feiern.
 

Austausch mit Treff C

Die Verzahnung im Quartier wird schon mit der Lage der Räume deutlich: „Wir arbeiten eng mit dem Quartiersmanager Vinzenz Heidrich zusammen, der sein Büro nebenan hat“, erläutert Josczok. „Bei größeren Veranstaltungen können wir einfach die Tür aufmachen und haben dann mehr Fläche. Und wir überlegen beide bei Anfragen direkt, ob es besser in die Stube oder den Treff C passt. Als es eine Anfrage von einer Person gab, die einen Chor im Quartier gründen will, hat Herr Heidrich mir davon erzählt. Räumlich passt der Chor besser in den Treff C, aber wir können von Anfang an auch Menschen mit Behinderung einbeziehen. Eine andere Person möchte Biografiearbeit machen – das passt besser in die Stube: Die Lebensgeschichte erzählt man sich lieber gemütlich auf dem Sofa.“
 

Vinzenz Heidrich
Als Quartiersmanager hat Vinzenz Heidrich ein offenes Ohr für die Ideen der Mieter:innen.
Kuscheltier in der Stube mit Menschen im Hintergrund
In der Stube ist Platz für jeden: Es muss nicht gleich das ehrenamtliche Engagement sein, man kann auch einfach auf einen Kaffee vorbeischauen.

Ehrenamt gesucht?

Ein wichtiger Baustein für die Stube, die die ersten Jahre von Aktion Mensch gefördert wird, ist die Suche nach Ehrenamtlichen. „Wir suchen Nachbar:innen mit oder ohne Beeinträchtigung,  die Lust haben, bei uns mitzumischen und mit zu gestalten, die ihre Ideen einbringen und Lust an Begegnung haben“, berichtet Voigt-Kaßelmann. „Gemeinsam mit Yanna Josczok planen sie etwa einen Tag der offenen Tür, schließen morgens mal den Raum auf und abends wieder ab oder betreuen ein Ehrenamtscafé.“
 

Die Stube wird über die nächsten Monate und Jahre mit dem Yorkquartier wachsen. Die Entwicklung von Neubauquartieren bietet immer die Chance, neue Ideen umzusetzen: moderne Wohnformen, nachhaltige Bauweise, zukunftsfähige Mobilitätskonzepten oder eben gelebte Inklusion. Voigt-Kaßelmann hat mit dem Thema soziale Teilhabe bereits viele Jahre Erfahrung und ahnt, wovon der Erfolg der Stube abhängt: „Es funktioniert dann, wenn jede:r persönlich etwas davon hat, hier hinzukommen. Ehrenamt macht man ja auch nicht nur, weil man anderen etwas Gutes tut. Wir wollen es schaffen, dass jede:r für sich einen Gewinn entdeckt, hier mitzumischen.“ 

Karte

Sie haben Wünsche und Ideen? Oder suchen ein Ehrenamt?  

Egal, ob Sie Lust auf Brettspiele oder Stricken haben, singen oder auf der großen Leinwand Fußball schauen wollen: Jeder kann mitmachen! Kommen Sie in die Stube auf eine Tasse Kaffee vorbei, schreiben Sie eine E-Mail oder rufen Sie an: 

Stube – Das Lebenshilfe-Wohnzimmer
Ansprechpartnerin: Yanna Josczok
Adresse: Surreyweg 5, 48167 Münster
E-Mail: stube@lebenshilfe-muenster.de
Telefon: 0157-80691051 
 

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